Corona-Krise und Abschlussprüfungen – Interview

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Die Schulschließungen als Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus stellen Abiturienten und Schüler, die in diesem Jahr den mittleren Schulabschluss oder Hauptschulabschluss absolvieren, vor eine besondere Herausforderung. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, erklärt im Interview mit Stuzubi-Redakteurin Julia Stark, worauf sich Schüler einstellen müssen und wie man die Wochen vor dem Schulabschluss trotz Corona-Krise meistert.

Stuzubi: Die Schulschließungen aufgrund der Corona-Epidemie sind eine Maßnahme, die bundesweit derzeit alle Schüler betreffen. Entsteht dadurch für Schüler, die in diesem Jahr ihren Schulabschluss absolvieren, eine besondere Belastung?

Heinz-Peter Meidinger: Ja, bei den Abiturienten und Schülern, die dieses Jahr die mittlere Reife oder den Quali machen, besteht besonderer Handlungsbedarf. Die Abgangsklassen brauchen klare Informationen hinsichtlich ihrer Abschlussprüfungen. Dessen sind sich die Ministerien und die Schulleitungen auch bewusst. Deshalb wurde das Thema Abiturverschiebung auch als erstes diskutiert.

Stuzubi: Gibt es in den letzten Monaten vor den Abschlussprüfungen noch neuen Unterrichtsstoff, oder wird in dieser Zeit nur noch das Gelernte wiederholt?

Heinz-Peter Meidinger: Das unterscheidet sich je nach Bundesland und ist auch von Klasse zu Klasse und von Lehrkraft zu Lehrkraft verschieden. Manche wiederholen in den letzten Wochen nur noch, andere kommen bis zum Ende der Unterrichtszeit gerade so mit dem Stoff durch. Es gibt auch Länder, wie zum Beispiel Bayern, in denen wegen der Schulschließung Klausuren ausgefallen sind, die noch in die Abiturwertung einfließen. Diese Leistungsnachweise, die ja auch eine Chance sind, sich zu verbessern, fehlen jetzt. Deshalb wurde das Abitur in Bayern verschoben. Wir können die Prüfungen aber nicht beliebig aufschieben.

Stuzubi: Für die Jugendlichen sind die Abschlussprüfungen ein ganz neues und einmaliges Ereignis in ihrem Leben. Lehrer haben dagegen mit Prüfungen dieser Art langjährige Erfahrungen, von denen Abiturienten und Abschlussklassen für den mittleren Abschluss profitieren können. Durch die Corona-Krise wird jetzt aber der direkte Kontakt zwischen Lehrer und Klasse unterbrochen. Lässt sich das irgendwie ausgleichen?

Heinz-Peter Meidinger: Die Lehrkräfte haben über digitale Medien laufend Kontakt zu ihren Abiturkursen. Eine Kollegin von mir hat kürzlich mit ihrem Kurs sogar eine Videokonferenz gemacht. Das ist vielleicht nicht das gleiche, wie sich Auge in Auge gegenüberzustehen, aber darüber kann man vieles auffangen und die Lehrkraft ist als Ansprechpartner weiterhin verfügbar.

Stuzubi: Viele Schüler bereiten sich in Lerngruppen zusammen auf den Schulabschluss vor. Würden Sie in der jetzigen Zeit dazu raten, auf das gemeinsame Lernen zu verzichten?

Heinz-Peter Meidinger: Lerngruppen und kooperatives Lernen finden jetzt über die digitalen Medien statt, meistens in Whatsapp-Gruppen. In dieser besonderen Situation ist der Austausch zwischen den Schülern soweit ich feststelle sogar noch intensiver als sonst, sie fragen sich gegenseitig ab und erklären sich Inhalte. Das ist alles auch ohne direkten persönlichen Kontakt möglich.

Abschlussprüfungen trotz Schulschließungen?

Stuzubi: In Hessen finden die Abiturprüfungen während der Schulschließungen statt. Was halten Sie davon?

Heinz-Peter Meidinger: Ich habe dieses Vorgehen vorgeschlagen. In Hessen waren die Leistungsnachweise und der Unterrichtsstoff zum Zeitpunkt der Schulschließung schon abgeschlossen, so dass es nur noch um die Prüfungen geht. Wenn man zwischen den einzelnen Tischen genug Abstand hält, kann man die Prüfungen auch in einer geschlossenen Schule durchführen. Für die Schüler ist das von Vorteil, sie bekommen Planungssicherheit und haben ihr Abitur dann in der Tasche.

Stuzubi: Schülervertretungen fürchten, dass sich die Corona-Epidemie negativ auf den Abschluss auswirken könnte. Ist diese Angst berechtigt?

Heinz-Peter Meidinger: Wir sind uns der Problematik bewusst und tun alles dafür, dass den Schülern durch diese Situation bei ihrem Abschluss kein Nachteil entsteht. Zum Beispiel mus jetzt auch überprüft werden, dass in den Abiprüfungen nichts enthalten ist, was wegen der Schulschließungen im Unterricht nicht mehr behandelt werden konnten.

Stuzubi: Experten gehen davon aus, dass die Corona-Krise über einen längeren Zeitraum gehen wird, vielleicht sogar über ein bis zwei Jahre. Muss die drastische Maßnahme der Schulschließungen eine einmalige Ausnahme bleiben, oder halten Sie es für denkbar, dass solche Einschränkungen mehrfach stattfinden?

Heinz-Peter Meidinger: Das ist eine Güterabwägung. Aus medizinischer Sicht mag es vielleicht sinnvoll sein, die Schulen für einen sehr langen Zeitraum oder öfter zu schließen. Aber nicht jede Maßnahme, die zur Eindämmung der Pandemie geeignet ist, kann die Gesellschaft auch verkraften. Wir können nicht so ohne weiteres für Jahre aufhören zur Schule zu gehen oder zu arbeiten. Die Karte der Schulschließungen wurde jetzt ausgespielt, das kann man nicht beliebig wiederholen.

Stuzubi: Die Corona-Epidemie macht vielen Jugendlichen bei ihren Planungen für die Zeit nach dem Abschluss einen Strich durch die Rechnung, zum Beispiel, wenn man vorhatte, länger ins Ausland zu gehen. Was würden Sie Schülern raten, ist es sinnvoll, jetzt Weichen für die Zukunft zu stellen, etwa mit einem Studium oder einer Ausbildung, oder sollte man erst einmal warten?

Heinz-Peter Meidinger: Die Verschiebung der Prüfungen verkürzt den Zeitraum zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn des Studiums oder der Ausbildung deutlich. Das gilt auch für die Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss, für die dann im September ohne Pause das Ausbildungsjahr anfängt. Viele Absolventen überlegen jetzt zwei Möglichkeiten, entweder man fügt sich diesem Zeitdruck oder man legt eine einjährige Auszeit ein, um sich zu orientieren. In der Regel ist das keine Zeitverschwendung, man reift dadurch.

Stuzubi: Wie schützen Sie sich persönlich vor einer Corona-Infektion?

Heinz-Peter Meidinger: Die Schulschließung reduziert auch meine Kontakte. Aber ehrlich gesagt habe auch ich erst vor einer guten Woche angefangen, mein Verhalten grundlegend umzustellen. Ich wasche mir oft die Hände, vermeide Händeschütteln, und bei Besprechungen sitzt jetzt jeder in einer anderen Ecke des Konferenzraums. Man macht sich schon so seine Gedanken und hält in der Supermarktschlange Abstand. Wenn ich sehe, wie sich draußen in den Parks immer noch große Gruppen zum Picknick treffen, ärgere ich mich.

Stuzubi: Herr Meidinger, vielen Dank für das Gespräch.

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