Vom Abiturschnitt hängt so einiges ab. Doch wer gut vorbereitet ist, kann ganz entspannt in die wichtigste Prüfung der gesamten Schullaufbahn gehen – und schafft auch ohne Lernmarathons und schlaflose Nächte eine gute Note. Welche Lernstrategien zum Erfolg führen, weiß Anuschka Krichbaum, Redaktionsleiterin beim Stark Verlag, der seit rund vier Jahrzehnten Vorbereitungsmaterialien für das Abitur und andere Abschlussprüfungen herausgibt. ABIQ hat mit der Expertin gesprochen.
ABIQ: Bis zur Abiturprüfung sind es noch viele Monate. Ab wann sollten die Abiturienten spätestens mit dem Lernen beginnen?
Krichbaum: Je früher man anfängt, desto besser. Spätestens zum Start des letzten Schuljahres sollte man sich schon einmal langsam auf das Abi vorbereiten. Dann hat man noch genug Luft nach hinten raus. Ab dem Ende der Sommerferien sollte man etwa eine halbe bis Dreiviertelstunde pro Woche für jedes Abiturfach einplanen, um den Stoff des Vorjahres zu wiederholen. Das ist zunächst schon ausreichend. Mehr schafft man meistens auch gar nicht, weil weiterhin neuer Stoff dazukommt, hier ein Referat, da eine Klausur, und in manchen Ländern wird auch eine Facharbeit geschrieben. Die laufende Arbeit fällt ja nicht weg. Und gerade im letzten Schuljahr ist es sehr von Vorteil, bei den aktuellen Themen im Unterricht besonders intensiv mitzuarbeiten und konzentriert Hausaufgaben zu machen. Denn was jetzt drankommt, ist grundsätzlich abiturrelevant. Dabei lohnt es sich, auch auf die Hinweise der Lehrer zu achten. Lehrer sind prinzipiell daran interessiert, dass ihre Schüler erfolgreich abschneiden und kündigen mögliche Prüfungsthemen häufig an. Hier wäre mein Tipp, diese Stoffgebiete gleich beim ersten Mitschreiben zu kennzeichnen.
ABIQ: Ist es sinnvoll, sich im Vorfeld eine Lernstrategie zurechtzulegen?
Krichbaum: Auf jeden Fall! Das Lernen auf große Prüfungen sollte wohl überlegt sein. Die Stoffmenge, die beim Abi abgefragt werden kann, ist so umfangreich, das kann man sich nicht auf den letzten Drücker in ein paar Wochen aneignen. Wir teilen die Abiturvorbereitung in drei Phasen ein. In den ersten Monaten ist das regelmäßige Lernen in kleinen Dosen am effektivsten, das ich gerade beschrieben habe. Die heiße Phase beginnt rund drei Monate vor dem Abi. Spätestens dann sollte man damit beginnen, Probeläufe anhand der Vorjahres- Prüfungen zu machen. So kann man sehen, welche stofflichen Lücken sich noch auftun. Für die letzten zwei bis drei Wochen empfehle ich, sich zurückzulehnen, und nur noch am Feinschliff zu arbeiten. Hilfreich sind für alle drei Phasen außerdem Wochenarbeitspläne, bei denen man sich einträgt, was man wann vorhat, und dann schaut, wo Spielräume zum Lernen sind. Bei der Zeiteinteilung sollte man aber unbedingt realistisch bleiben und sich nicht zu viel vornehmen. Ich habe schon Pläne gesehen, in denen stand, „von 22 bis 24 Uhr Mathe lernen“. Hier kann ich nur warnen, Finger weg von solchen Vorhaben!
ABIQ: Das heißt, nachts lernen ist tabu?
Krichbaum: Nein, nicht unbedingt, das ist individuell ganz unterschiedlich. Manche Leute können sich nachts gut konzentrieren. Dann spricht nichts dagegen, diese Zeit zum Lernen zu nutzen und sich um 23 Uhr nochmal hinzusetzen. Aber es sollte nicht zu lang sein, eine halbe Stunde reicht. Es bringt nichts, sich dann zwei, drei Stunden am Stück mit Mathe oder Latein zu quälen, ohne sich am Ende etwas gemerkt zu haben.
ABIQ: Verraten Sie uns doch ein paar Beispiele für bewährte Lerntechniken.
Krichbaum: In der Anfangsphase ist es gut, sich für jedes Abiturfach Stoffsammlungen mit den Themengebieten anzulegen, die drankommen können. Außerdem sollte man, wie gesagt, das Lernen der aktuellen Unterrichtsinhalte sehr ernst nehmen. Im Abitur wird nämlich der Stoff der letzten beiden Schuljahre abgefragt. Wer hier gleich von Anfang an effektiv mitlernt, spart sich später Zeit und muss weniger wiederholen. Ansonsten hängt die Art der Lerntechnik auch stark vom Fach ab. In Geschichte ist es zum Beispiel sinnvoll, sich Faktenwissen und Zusammenhänge zu erlesen. Aber auch Medien wie Lernvideos auf Youtube können bei einigen Fächern viel bringen, oder Lernprogramme am Computer. Für Aufgaben wie etwa einen Leseverstehenstest in Französisch ist das sehr komfortabel. In der heißen Phase sollte man dazu übergehen, für jedes Abifach Probeläufe zu machen, das heißt, alte Abituraufgaben in der vorgegebenen Zeit zu lösen. Dadurch wird man vertraut mit der Aufgabenstruktur und allmählich immer schneller. Das Hauptproblem beim Abitur ist häufig die Zeit. Viele würden hervorragend abschneiden, wenn sie eine halbe Stunde mehr hätten. Deshalb sollte man vor allem auch Schnelligkeit ausreichend trainieren.
ABIQ: Es gibt unterschiedliche Lerntypen. Wie finde ich heraus, welche Lernmethode am besten zu mir passt?
Krichbaum: Ich bin eigentlich überzeugt davon, dass jeder Abiturient weiß, wie Lernen funktioniert, und was für ein Lerntypus er ist. Sonst wäre er in seiner Schullaufbahn nicht so erfolgreich gewesen und gar nicht bis zur Oberstufe gekommen. Aber gerade beim Abitur bietet es sich an, auch mal neue Methoden zu probieren. Niemand ist zu 100 Prozent ein bestimmter Typus. Zum Beispiel kann sich für jemanden, der eigentlich hauptsächlich visuell lernt, auch die kommunikative Methode in einer Lerngruppe eignen. Man bekommt oft ein vertieftes Verständnis für etwas, wenn man es jemand anderem erklärt. Außerdem motivieren Lerngruppen, das ist wie beim Sport oder im Fitnessstudio, zusammen geht es viel leichter.
ABIQ: Mit welchen Methoden kann ich überprüfen, ob mein Wissensstand für das Bestehen oder sogar das gute oder sehr gute Abschneiden in der jeweiligen Abi-Prüfung ausreicht?
Krichbaum: Bei den Probeaufgaben fürs Abitur, die unter anderem auch unser Verlag herausgibt, hat man die Möglichkeit, sich selbst zu bepunkten, und kann so seinen jeweiligen Leistungsstand ganz gut ermitteln. Dadurch sieht man auch, in welchen Stoffgebieten man sein Wissen noch vertiefen muss, und kann gezielt an Defiziten arbeiten.
ABIQ: Aber die Stoffmenge ist doch beträchtlich – raten Sie zu Mut zur Lücke, oder sollte man möglichst alle Themengebiete breit abdecken, und dann gegebenenfalls einfach weniger in die Tiefe gehen?
Krichbaum: Das kommt auf das Fach an. In Bayern werden für Deutsch zum Beispiel mehrere Textgattungen angeboten. Da kann man auch eine Textart, die einem weniger liegt, weglassen, und sich auf das konzentrieren, was man gut kann. Man sollte sich aber genau informieren, wie das im jeweiligen Bundesland gehandhabt wird, und nur auf Lücke lernen, wenn es Sinn macht.
ABIQ: Seit einiger Zeit entwickelt sich der Begriff „Prokrastination“, der das Aufschieben von unangenehmen Dingen bezeichnet, zu einer Art Modewort. Gibt es einen Trick, dieses Phänomen in der Lernphase zu vermeiden?
Krichbaum: Lästige Aufgaben vor sich her zu schieben ist menschlich, fast jeder macht das. Abiturienten sind davor auch nicht gefeit. Ich kann nur appellieren, das nicht zu oft zu machen. Häufig sehe ich aber das Gegenteil, viele Abiturienten sind sehr ehrgeizig und nehmen ihre Abschlussprüfungen sehr ernst. Sie wissen, wie wichtig das Abi ist, gerade, wenn man ein Fach mit NC studieren will. Der Druck, der von der Gesellschaft und zum Teil von den Eltern aufgebaut wird, ist immens, und löst manchmal auch Blockaden aus. Da rate ich dann eher dazu, ein bisschen auf die Bremse zu treten und alles etwas lockerer anzugehen. Hilfreich sind dabei auch Lerngruppen, gemeinsam lernt es sich entspannter. Im Nachhinein denken sich übrigens die meisten Schüler, dass das Abi doch eigentlich gar nicht so schwer war. Im Prinzip unterscheiden sich die Abschlussprüfungen nicht sehr von ganz normalen Klausuren.
ABIQ: Wie haben Sie sich auf Ihr Abi vorbereitet?
Krichbaum: Also ich war eigentlich eine sehr ordentliche Schülerin, habe immer genau mitgeschrieben und darauf geachtet, ob der Lehrer ankündigt, dass etwas prüfungsrelevant ist. Zuhause habe ich mir meine Notizen dann durchgelesen. Damit war ich auch erfolgreich. Aber ich hatte ziemliche Angst vor dem Abi. Hinterher fand ich es dann gar nicht mehr so schlimm.
ABIQ: Dürfen wir Sie nach Ihrem Notenschnitt fragen?
Krichbaum (lacht): Ja, das war 1,9.
ABIQ: Frau Krichbaum, wir danken Ihnen für das Gespräch.