Technik ist Männersache? Dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Dabei können Mädchen, die sich für MINT-Studiengänge entscheiden, sehr erfolgreich sein. Eine von ihnen ist Francesca-Marie Merten. Die 22-Jährige absolviert ein duales Studium in Maschinenbau mit der Vertiefung Fahrzeugtechnik an der Hochschule Osnabrück und gehört zu den Besten ihres Jahrgangs. Was sie im Studium lernt, warum sie sich für Feuerwehrfahrzeuge begeistert und mit welchen Schwierigkeiten sie beim Studienbeginn zu kämpfen hatte, erfährst du in unserem Beitrag.
Blaumann statt Büro: vom Produktdesign zur Fahrzeugtechnik
Francesca-Marie ist kein untypisches Mädchen. Sich die zierliche junge Frau mit den langen dunklen Haaren im Blaumann und mit Schweißbrille vorzustellen ist gar nicht so einfach. „Als Schülerin habe ich mich früher eher für die typischen Mädchenberufe interessiert“, erzählt sie. Bei einem Praktikum als Automobilkauffrau entdeckte sie dann aber, wie spannend Technik ist: „Da hat es mich einfach gepackt, mich hat fasziniert, wie viel Technik in heutigen Fahrzeugen steckt.“

Trotzdem steuerte sie zunächst einen Beruf an, der für Frauen gar nicht so unüblich ist. Sie begann eine Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Produktdesignerin. Mädchenanteil: etwa zwei Drittel. Doch schnell habe sie gemerkt, dass sie der technische Bereich viel mehr interessierte als Design und Gestaltung. „Technik bietet so viel Innovationspotenzial und Kreativität“, schwärmt sie.
Auch die praktische Umsetzung technischer Aufgaben begeisterte sie. Als sie bei einem Feuerwehrfahrzeughersteller ein Praktikum absolvierte, faszinierte Sie das Zusammenspiel zwischen Ingenieurwesen und handwerklicher Arbeit. Deshalb habe sie sich gefragt, „soll ich es wagen ein duales Studium im Maschinenbau zu beginnen?“
Sie hat sich getraut. Heute studiert sie an der Hochschule Osnabrück Maschinenbau im dualen Modell mit einer integrierten Ausbildung zur Karosserie- und Fahrzeugmechanikerin. Ihr Ausbildungsbetrieb: ein Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen. Die Ausbildung hat sie bereits abgeschlossen und studiert inzwischen in Vollzeit.
Wie ihr Umfeld auf ihre Entscheidung reagierte? Ihr Vater habe ihr Vorhaben von Anfang an unterstützt, sagte Francesca-Marie. Anders ihre Mutter: „Sie hat sich Sorgen gemacht, dass ich auf Vorbehalte stoße, vielleicht enttäuscht werde und mein Selbstbewusstsein verliere.“ Auch ihre Freunde seien skeptisch gewesen, ob eine erfolgreiche Karriere in einer als typisch männlich geltenden Fachrichtung für eine Frau möglich sei.

Maschinenbau dual studieren: Akkuschrauber und Integrale
Trotzdem blieb Marie-Francesca ihren Plänen treu. Das erste halbe Jahr des dualen Studiums ist ausschließlich der Berufsausbildung gewidmet. Und gerade hier erlebte sie am Anfang etwas, mit dem sie gar nicht gerechnet hatte: „Dass ich als Frau so willkommen war, hat mich wirklich überrascht.“ An der Berufsschule sei sie als einziges Mädchen in der Klasse sofort voll integriert gewesen. Im Betrieb bekam sie einen Akkuschrauber, „und alle haben gesagt, ‚das schaffst du schon‘“. Schrauben, schweißen, Elektronik – überall bekam sie Einblicke und konnte selbst Hand anlegen.

Gleichzeitig halfen ihr die anderen Azubis, Gesellen und Meister – ebenfalls alles Männer – sobald sie Unterstützung brauchte. „Eine LKW-Tür abhängen, das schafft man als Frau tatsächlich allein nicht“, räumt sie ein. Bei filigraneren Arbeiten sei sie dagegen oft besser als ihre männlichen Kollegen. Ihr Eindruck: Männer und Frauen ergänzen sich gut in technischen Berufen. Im praktischen Teil des Studiums seien ihr keinerlei Vorbehalte begegnet, betont Francesca-Marie.
Das erste Semester findet komplett an der Hochschule statt. Vom zweiten bis zum fünften Semester wechseln sich Studium und praktische Ausbildung je nach Wochentag ab und in den letzten zwei Semestern wird erneut in Vollzeit studiert. Inhaltlich beginne das Studium mit den naturwissenschaftlichen und mathematischen Grundlagen, berichtet Francesca-Marie. In Mathe werden Vektorrechnung, Differenziale und Funktionen behandelt. „Eigentlich wie im Abi, nur ein bisschen schwieriger“, sagt sie.
Später geht es um Mathematik für den Maschinenbau, unter anderem mit komplexen Zahlen und Integralrechnung. Weitere Module: Maschinenbau, Antriebe, Regelungstechnik, Verbrennungsmotoren und Fahrzeugtechnik – Francesca-Maries Lieblingsfach, das auch den stärksten Bezug zum Praxisteil hat. In ihrer beruflichen Ausbildung, die sie schon abgeschlossen hat, war sie Jahrgangsbeste in ihrer Region. Auch im Studium erreicht sie Bestnoten. Das war aber nicht von Anfang an so.
Startschwierigkeiten im Studium? Am Frausein liegt es nicht
Vor allem Mathe sei ihr erst einmal schwergefallen, sagt Francesca-Marie: „Das war aber bei allen die größte Hürde.“ Probleme bereitet habe ihr außerdem der Ortswechsel. Denn für ihr Studium zog sie von Bielefeld nach Osnabrück: „Keine Familie und keine Freunde, mit denen ich reden konnte, und dann ist auch noch der Haushalt auf mit eingeprasselt, das war schon eine große Umstellung.“
Auch der Übergang von der Schule ins Studium sei eine gravierende Veränderung, erklärt sie. Anders als in der Klasse, in der man in eine Gruppe eingebunden sei, sei man im Studium anfangs auf sich gestellt. Vom Stundenplan bis zur Gestaltung der weiteren Zukunft, die Entscheidung liege ganz bei einem selbst. Das erfordere viel Disziplin. Bis sie sich in die neue Situation einfand, habe es eine Weile gedauert. Die Folge: Noten eher im unteren Mittelfeld – und erste Selbstzweifel.
Über Gespräche mit Professoren sei ihr jedoch klar geworden: „Das lag nicht an mir und schon gar nicht daran, dass ich eine Frau bin, mir hat einfach die Struktur gefehlt.“ Sie suchte sich eine Lerngruppe, begann, ihre Lehrveranstaltungen vor- und nachzubereiten, und steht nun auf einem sehr guten Notenschnitt.
Als sie parallel noch die Ausbildung absolviert habe, sei der Lernaufwand jedoch hoch gewesen. Ihr Hobby – ehrenamtliches Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr – habe sie deshalb aufgegeben. Doch der Einsatz lohne sich. Hilfreich sei, sich frühzeitig Ziele zu setzen, rät sie: „Ich möchte beispielsweise später bei Airbus arbeiten, vielleicht auch in einer Führungsposition, und dafür strenge ich mich dann auch gerne an.“
Mit Selbstbewusstsein gegen Vorbehalte: Tipps für technikaffine Schülerinnen
Schülerinnen, die sich für technische Berufe interessieren, empfiehlt Francesca-Marie, sich nicht von ihren Plänen abbringen zu lassen. Vor allem dürfe man sich als Frau nicht zu sehr von den Bewertungen abhängig machen. „Auch mir wurde schon gesagt, ‚in der Technik sehe ich dich eher nicht‘“, erzählt sie. Solche Aussagen nehme sie zwar zur Kenntnis, lasse sich davon aber nicht beirren: „Wenn mir jemand Steine in den Weg legt, umgehe ich sie einfach.“
Ihr Tipp für Mädchen, die sich für Technik begeistern: „Macht, was euch interessiert, geht offen auf die Leute zu, traut euch, Fragen zu stellen, und gebt nicht auf.“ Den beruflichen Möglichkeiten von Frauen seien heutzutage keine Grenzen mehr gesetzt – auch im MINT-Bereich.

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