Für fast jeden Studiengang gibt es auch eine Berufsausbildung: Wie du die richtige Ausbildung findest und was du über Ausbildungsberufe wissen solltest
„Was soll ich studieren“ – diese Frage ist bei vielen Jugendlichen in ihrer Berufsorientierung das zentrale Thema. Der Irrglaube, beruflicher Erfolg wäre nur mit einem Hochschulabschluss möglich, hält sich hartnäckig. Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland hat aber überhaupt nicht studiert, sondern eine Berufsausbildung gemacht.
Welche Chancen der Weg einer beruflichen Ausbildung nach der Schule bietet, wissen viele Jugendliche gar nicht. Neben dualen Berufsausbildungen im Unternehmen und an der Berufsschule gibt es zum Beispiel auch Berufsausbildungen an Fachschulen. Behörden bilden ihre Azubis zu Beamtinnen und Beamten aus. Im Handwerk kannst du ganz konkret für Umweltschutz und Nachhaltigkeit sorgen oder mit einer Meisterfortbildung den Grundstein für dein eigenes Unternehmen legen. Wie die Berufsausbildung in Deutschland funktioniert, wie breit das Spektrum deiner Möglichkeiten mit einer Berufsausbildung ist, welche Ausbildungsberufe bei Schüler*innen besonders beliebt sind, und in was für Berufen Azubis aktuell besonders dringend gesucht werden, verrät dir unser Beitrag.
Der Klassiker: die duale Berufsausbildung
Die meisten Jugendlichen, die sich für eine Ausbildung entscheiden, machen eine sogenannte duale Berufsausbildung. Dieses Modell ist in Deutschland einzigartig und wird auf der ganzen Welt für seine hohe Qualität gelobt. Dual bedeutet: Du gehst während deiner Ausbildung in einen Betrieb und lernst dort die Tätigkeiten, die du für deinen Beruf brauchst.
Außerdem besuchst du die Berufsschule, wo dir im Unterricht das nötige Fachwissen für deinen Beruf vermittelt wird. „Der Berufsschulunterricht findet entweder an bestimmten Wochentagen oder als Block über mehrere Wochen statt“, erklärt Karen Marcus, die bei der Aus- und Weiterbildungsberatung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig für das Projekt „Passgenaue Besetzung“ zuständig ist und Schüler*innen bei der Ausbildungssuche unterstützt. Am Ende ihrer Ausbildung legen die Azubis eine theoretische und eine praktische Prüfung ab.
Ausbildungsberufe in Deutschland
Derzeit gibt es in Deutschland laut Marcus insgesamt 450 Ausbildungsberufe im dualen System. Für rund 270 Berufsfelder sind die IHKs zuständig, die übrigen werden von anderen Kammern betreut. Zu den Branchen der IHKs gehören der kaufmännische Bereich, zum Beispiel Büro, Handel und Gastronomie, aber auch der gewerblich-technische Bereich mit Richtungen wie Elektro, Bau, Metall, IT oder Logistik. Je nach Berufsbild gebe es Ausbildungen mit ganz unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, sagt Marcus: „Da ist wirklich für jeden etwas dabei, jeder und jede wird in der Wirtschaft gebraucht.“
Für eine Ausbildung zum Verkäufer, zum Tiefbaufacharbeiter oder zur Fachkraft Metalltechnik sei zum Beispiel ein Hauptschulabschluss völlig ausreichend, oder auch Jugendliche ohne Schulabschluss könnten sich bewerben. Es gebe aber auch sehr anspruchsvolle Berufsausbildungen, etwa im technischen Bereich: „Bei der Ausbildung zum Fachinformatiker oder Mechatroniker ist es von Vorteil Abitur mitzubringen.“ Auch bei einigen kaufmännischen Ausbildungsberufen seien eher Bewerber*innen mit Abi gefragt.
Wie lange dauert eine Berufsausbildung?
Die meisten Berufsausbildungen dauern drei Jahre. Mit Abitur lässt sich die Ausbildungsdauer allerdings häufig verkürzen. „Für wen das sinnvoll ist, wird im Einzelfall entschieden“, sagt Marcus. Laut Berufsbildungsgesetz ist eine Verkürzung bis zu einem Jahr möglich. „Und das ist nur einer von vielen Gründen, warum sich eine Ausbildung nach dem Abi lohnt“, erklärt sie. Azubis mit Hochschulreife oder Fachhochschulreife sind übrigens keine Seltenheit – laut Statistischem Bundesamt hatten 2021 rund 30 Prozent der Auszubildenden ein Abitur oder Fachabitur.
Ausbildungsberufe mit einer regulären Dauer von zwei Jahren seien jedoch oft auch für Schüler*innen gut zu bewältigen, die in der Schule eher Schwierigkeiten haben. Bei einem guten Ausbildungsabschluss gebe es in einigen Berufen mit zweijähriger Ausbildungsdauer die Möglichkeit, die Ausbildung fortzusetzen und sich so für einen anspruchsvolleren Beruf zu qualifizieren. Verkäufer*innen können dann zum Beispiel zu Einzelhandelskaufleuten werden und Fachlageristen zur Fachkraft für Lagerlogistik.
Unter Umständen könne die festgelegte Ausbildungsdauer ein Hinweis darauf sein, ob eine Ausbildung eher anspruchsvoll oder leicht zu bewältigen sei. Hier gebe es aber nicht immer einen Zusammenhang, räumt Marcus ein: „Ausbildungen für Metallberufe dauern zum Beispiel dreieinhalb Jahre, weil man erst die Basics lernen muss, doch diese Berufe sind nicht schwieriger als andere, wenn man sich dafür interessiert.“
Ausbildung als Plan B
Gerade bei Abiturienten und Abiturientinnen sei eine Ausbildung oft eine sinnvolle Vorstufe zum Studium, sagt Marcus: „Mit Vorwissen und praktischer Erfahrung studiert es sich leichter.“ Wer BWL studieren wolle, könne zum Beispiel zuerst einen kaufmännischen Beruf erlernen, oder wer sich für ein Biologiestudium interessiere, könne sich vorab zum Biologielaboranten ausbilden lassen. Immer wieder beobachte sie, wie Jugendliche von ihrem Umfeld, ihren Freunden, den Eltern oder sogar von Lehrkräften zum Studium gedrängt werden: „Aber zu studieren liegt nicht jedem.“
Die Folge: eine Studienabbrecherquote von etwa 30 Prozent. „Wenn gar nichts mehr geht, kommen die Studienabbrecher zu mir, meist viel zu spät“, erzählt Marcus. „Mit Mitte 20 und ohne Berufsabschluss fühlen sich viele als Looser, aber das stimmt nicht!“ Bei Unternehmen seien Studienabbrecher*innen als Bewerber*innen für Ausbildungsstellen hochwillkommen, „das sind für die Betriebe die Sahneschnitten.“ Auch wer keinen Studienplatz bekommen habe, könne sich auf einen Ausbildungsplatz aus seiner gewünschten Fachrichtung bewerben, rät Marcus: „Das geht zu jeder Zeit im Jahr.“
Bewerbungsfrist verpasst? Kein Problem
Das Ausbildungsjahr startet je nach Bundesland im August oder September. Bewerbungen seien häufig aber auch noch im Oktober, November oder sogar im Dezember möglich, sagt Marcus: „Und mit Abitur kann man eigentlich in der Regel jederzeit einsteigen durch die Möglichkeit zu verkürzen.“ Viele Abiturientinnen und Abiturienten oder auch Studienabbrecher*innen wüssten das nicht: „Sie verlieren deshalb oft ein ganzes Jahr, aber das muss nicht sein.“ Die beste Strategie sei, sich bei einem Studienwunsch erst einmal um einen Studienplatz zu bemühen und bei einer Absage direkt nach freien Ausbildungsplätzen zu schauen. „Gern helfen dann auch die Kammern weiter“, sagt Marcus.
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