Ausbildung & Studium mit Legasthenie oder Dyskalkulie

Ausbildung und Studium mit Legasthenie oder Dyskalkulie © Adobe Stoxk

Begabungen sind oft ungleich verteilt. Wer gut in Mathe ist, hat nicht unbedingt auch einen Einser in Deutsch und umgekehrt. Manchmal sind Schwierigkeiten in Mathematik und Deutsch aber auch krankheitsbedingt. Die Fachbegriffe dafür sind Legasthenie und Dyskalkulie.

Tipps für Wege nach der Schule mit Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche

    Was ist Legasthenie und Dyskalkulie?

    Legasthenie ist eine Lese- Rechtschreibschwäche. Konkret bedeutet das: Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Legastheniker*innen lesen und schreiben zum Beispiel teilweise stark verlangsamt und neigen dazu, die Zeile zu verlieren oder sich zu verschreiben und empfinden das Lesen und Schreiben als sehr anstrengend.

    Dyskalkulie ist eine Rechenschwäche. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten beim Rechnen und Schätzen, beim Mengenverständnis und teilweise auch beim logischen Denken.

    Dabei führen weder die Lese-Rechtschreibschwäche noch die Rechenschwäche zu einer Einschränkung der Intelligenz. Die Betroffenen, etwa drei bis acht Prozent der Bevölkerung, können einen Ausbildungsberuf erlernen und studieren, aber sie brauchen in manchen Situationen bestimmte Hilfestellungen.

    Ausbildung mit Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche

    Auch Legastheniker*innen und Schüler*innen mit einer Matheschwäche können und sollen sich natürlich auf einen Ausbildungsplatz bewerben, und dabei keine Scheu haben, nach einer Ausbildungsstelle in ihrem Traumberuf zu suchen. Emma (Name von der Redaktion geändert), Auszubildende zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste und selbst Betroffene, rät in ihrem Vortrag auf YouTube zum Thema, eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche nicht zu verheimlichen. „Spätestens im Vorstellungsgespräch sollte man es ansprechen“, sagt sie. Ihr Tipp: Schriftlich einen Text vorbereiten, mit dem du dich wohlfühlst, und auch betonen, dass die Störung keine Beeinträchtigung der Intelligenz bedeutet. Wenn du über dein Problem sprichst, solltest du am besten mit deinen Schwächen beginnen und mit deinen Stärken aufhören. Um sicher zu werden, kannst du den Text proben mit deinen Eltern, Geschwistern oder anderen Vertrauenspersonen.

    Möglich sei aber auch, eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche schon im Lebenslauf zu erwähnen. Der größte Fehler, den man machen könne, sei, einfach nichts zu sagen, betont Emma. Wichtig sei, auch die Berufsschule zu informieren. Denn es gibt Möglichkeiten, bei den Prüfungen unterstützt zu werden: den sogenannten Nachteilsausgleich.

    Ausbildung & Studium mit Legasthenie oder Dyskalkulie 1

    Nachteilsausgleich für Prüfungen in der Ausbildung

    Ziel beim Nachteilsausgleich ist es, die Prüfungsbedingungen so anzupassen, dass Legastheniker*innen und Auszubildende mit Matheschwäche ihr Fachwissen in der Prüfung zeigen können, und durch ihre Krankheit nicht benachteiligt werden.

    Weil sich eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche bei jeden anders äußert, wird der Nachteilsausgleich individuell auf die einzelnen Auszubildenden zugeschnitten. Beim Antrag auf Nachteilsausgleich müssen die betroffenen Azubis deshalb genau darlegen, welche Hilfen sie brauchen. Dafür sind aktuelle ärztliche Stellungnahmen nötig, die rechtzeitig beschafft und mit dem Antrag beim Prüfungsausschuss eingereicht werden müssen.

    Unterstützung bei der Beantragung des Nachteilsausgleichs bieten Beratungsstellen, an die sich Betroffene möglichst schon zu Beginn ihrer Ausbildungssuche wenden sollten. Die entsprechenden Kontaktadressen hat der Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e.V. (BVL) T, bei dem in der Gruppe Junge Aktive (JA) auch Schüler*innen, Auszubildende und Studierende mitarbeiten können. Tipps zum Nachteilsausgleich gibt es außerdem im Handbuch für die Ausbildungs- und Prüfungspraxis, das es als kostenlosen Download gibt. Das Buch können Azubis auch ihrem Arbeitgeber empfehlen, der dort viele nützliche Infos findet.

     

    Probleme beim Rechnen: Taschenrechner
    Kalkulationsprogramme
    Formelsammlungen
    Multiplikationstabelle
    Eigene Tabellen
    Angepasste Aufgabenstellungen
    Probleme bei der Geschwindigkeit, der Konzentration und dem Verständnis von Aufgabenstellungen:Zeitverlängerung
    Zusätzliche Pausen
    Kleinere Arbeitseinheiten
    Vorlesen und erklären der Aufgaben (ggf. durch eine Begleitperson, die in der gesamten Prüfung anwesend ist)
    Beispiele für mögliche Hilfestellungen in der Prüfung bei Dyskalkulie:

     

    Der Nachteilsausgleich muss vor jeder Prüfung immer wieder neu beantragt werden, weil sich die Störungen verändern und auch verbessern können. Und nicht immer wird alles genehmigt, was beantragt wurde Deshalb: Lieber zu viel beantragen als zu wenig. Um ausreichend Zeit zu haben, sollte man mindestens ein halbes Jahr vorher damit beginnen, die Antragstellung zu planen, empfiehlt Emma.

    Studium trotz Legasthenie oder Dyskalkulie

    Auch im Studium gibt es viele Möglichkeiten für einen Nachteilsausgleich. Die Antragsstellung solltest du am besten Schritt für Schritt planen. Dabei kannst du so vorgehen:

    1. Überlege, am besten schon vor dem Studium, welche Maßnahmen dir helfen würden
    2. Spreche gleich zum Semesterbeginn mit dem oder der Beauftragten für Menschen mit Behinderung an deiner Hochschule oder Universität über deine Situation und bitte um ein Empfehlungsschreiben
    3. Wende dich mit dem Empfehlungsschreiben an die Prüfungskommission, möglichst noch im ersten Monat des Semesters

    Anders als bei der Ausbildung kann der Antrag auf Nachteilsausgleich für das gesamte Studium gelten.

    Beispiele für mögliche Hilfestellungen bei Legasthenie für Prüfungen im Studium:

    • Zeitverlängerung
    • Vorleseprogramme und Texterkennungsprogramme
    • Diktierprogramme
    • Separater Raum für bessere Konzentration
    • Unterstützung beim Korrekturlesen von Hausarbeiten
    • Mündliche Prüfung statt schriftlicher Klausuren

    Ob betroffene Studierende ihre Störung gegenüber den Dozenten und Dozentinnen kommunizieren, bleibt jedem selbst überlassen, sagt Anton, der Legastheniker ist und Geschichte studiert. Die Dozenten seien dazu verpflichtet, einen genehmigten Nachteilsausgleich zu akzeptieren, ohne die Gründe dafür zu kennen. In Seminaren, zum Beispiel beim Vorlesen von Texten, oder bei Gruppenarbeiten, sei es aber sinnvoll, das Problem anzusprechen, rät Anton: „Die meisten Leute haben dafür Verständnis.“

    Auch er betont, dass eine Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche kein Grund dafür sein sollten, sich nicht an ein Studium oder eine Ausbildung zu wagen – denn auf fachliche Fähigkeiten hat die Störung keinen Einfluss.

    Weitere Infos sowie Kontaktadressen zu Beratungsstellen gibt es beim Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e.V. (BVL).

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    2 Antworten

    1. Ein sehr aufschlussreicher Artikel! Es ist wichtig, die Unterschiede zwischen den Begriffen Dyskalkulie und allgemeine Rechenschwäche zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf therapeutische Ansätze und die Rolle der Eltern. Die Betonung der individuellen Herangehensweisen und der Vermeidung von Stigmatisierung ist besonders wertvoll.

    2. Der Artikel ist für mich sehr interessant und ich finde hier erstmalig kompakte Hilfen in diesem Thema wo andere Institutionen die Problematik nur hin und her schieben und die Betroffenen einfach nur das Gefühl haben wiedermal nicht verstanden zu werden wie in der Schule.

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