Auslandsjahr mit Freiwilligendienst

Auslandsjahr mit Freiwilligendienst

„Viele aus dem Abiturjahrgang vor mir konnten ihren Plänen fürs Auslandsjahr nicht nachgehen“, erinnert sich Bianca Mahnke (18), die in Kürze einen Freiwilligendienst in Ungarn antritt. Der Brite Michael Woods arbeitet seit September 2020 als Freiwilliger im Europa Jugend Büro Hamburg. „Die Alternative wäre gewesen, zuhause zu sitzen und fernzusehen“, sagt der 24-Jährige. Etwa zwei Monate vor den Sommerferien sei die Nachfrage nach Auslandsaufenthalten wieder gestiegen, berichtet Remo Küchler, Leiter des Europa Jugend Büros: „Auf dem Niveau vor Corona sind wir nicht, aber es gibt wieder mehr Möglichkeiten.“

Gap Year mit Auslandsaufenthalt

    Die Gründe für einen Auslandsjahr sind vielfältig. Manche wollen einfach mal raus, andere integrieren ein Gap Year in eine langfristige Zukunftsplanung. „Für mich stand immer fest, dass ich nach der Schule erstmal ins Ausland gehe“, erzählt Bianca. Auch, was sie studieren möchte, weiß sie schon jetzt: Ökotrophologie soll es sein, mit dem Ziel, später im Bereich Ernährungsberatung zu arbeiten: „Aber vorher wollte ich nochmal was anderes machen.“

    Ganz anders war die Ausgangssituation bei Michael. Nach seinem Schulabschluss in Liverpool vor sechs Jahren begann er zu jobben: „Ich habe etwa fünf Jahre lang in Bars und Restaurants gearbeitet.“ Die Wende brachte eine Reise nach Hamburg 2019. Die Zeit in der Hansestadt habe ihm so gut gefallen, dass er sich für einen Freiwilligendienst bewarb. „Ich wollte einfach etwas neues ausprobieren“, erklärt er.

    Trotz steigender Corona-Infektionen zog er von England nach Norddeutschland und trat seine Stelle im Europa Jugend Büro an. Angst vor der Pandemie habe er nicht gehabt. „Corona ist in Europa überall, insofern macht es keinen so großen Unterschied, wo man lebt“, sagt Michael. „Meine einzige Sorge war, dass sie die Grenzen schließen und ich nicht aus Großbritannien rauskomme.“

    Michael Woods beim Auslandsjahr in Hamburg
    Michael Woods bei seinem Freiwilligendienst im Europa Jugend Büro Hamburg

    Erasmus nach dem Brexit

    Doch das Projekt glückte. Michael konnte ausreisen und bekam als einer der letzten Briten sogar noch die Förderung aus dem Erasmus-Programm, an dem Großbritannien nach dem Brexit nun nicht mehr teilnimmt – eine Entwicklung, die Michael sehr bedauert: „Das ist wirklich schade und nimmt jungen Leuten viele Möglichkeiten.“

    Das Gap Year Programm, das Bianca und Michael in ihrem Auslandsjahr absolvieren, heißt Europäischer Solidaritätskorps (ESK) und ist das Nachfolgeprojekt des Europäischen Freiwilligendienstes. Angeboten wird der ESK unter anderem in sozialen, ökologischen, kulturellen und sportfördernden Einrichtungen in Europa und einigen außereuropäischen Ländern wie zum Beispiel Russland.

    Ursprünglich habe sie sich eher einen Freiwilligendienst in einem englischsprachigen Land mit Bezug zu Ernährungsthemen vorgestellt, räumt Bianca ein. Als sie dann aber ein Angebot eines deutschsprachigen Kindergartens in Ungarn erhalten habe, habe sie sich spontan umentschieden.

    Programme fürs Auslandsjahr mit Freiwilligendienst

    Zu Biancas Aufgaben gehört es, die Kinder beim Essen und bei einfachen Tätigkeiten zu unterstützen, und vor allem, deutsch mit ihnen zu sprechen. Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern hat sie nicht. „Aber genau das ist auch das Gute an einem Freiwilligendienst, man kann sich ohne Vorkenntnisse einfach neue Fähigkeiten aneignen“, sagt Michael.

    Sein Tätigkeitsbereich umfasst ein breites Spektrum: Er sichtet zum Beispiel Bewerbungen von jungen Leuten, die ins Ausland möchten, hilft beim Ausfüllen von englischsprachigen Formularen und plant Meetings. Die Einsatzfelder seien beim ESK sehr vielfältig, „das reicht von Tätigkeiten in Grundschulen oder in der Flüchtlingshilfe bis zur Gartenarbeit bei ökologischen Projekten.“

    Dabei können die Bewerber von sich aus aktiv werden und bei Entsendeorganisationen nach einer Stelle fragen. Oder die Anbieter gehen, wie im Fall von Bianca, auf den Interessenten zu. Michaels Tipp für alle, die einen Auslandsaufenthalt planen: „Überlegt euch gut, was ihr mit eurer Zukunft machen wollt, und welches Projekt euch interessiert, und dann traut euch.“

    Gap Year 2022

    Und Corona? Im Gegensatz zu Michael, der seinen Freiwilligendienst während der Pandemie noch vor der Zulassung der ersten Impfstoffe begonnen hat, sind die aktuellen Abschlussjahrgänge besser gewappnet. Bianca ist seit dem Sommer vollständig geimpft. „Das war für die Stelle im Kindergarten auch eine verpflichtende Voraussetzung“, betont sie. Die kommenden Monate erwartet sie mit Spannung. „Mal sehen, vielleicht entscheide ich mich nach dem Jahr um und werde doch Kindergärtnerin statt Ernährungsberaterin“, sagt Bianca und lacht.

    Die Zukunftspläne von Michael sind bereits jetzt durch seinen Freiwilligendienst geprägt. Sein Ziel ist es nun, in Deutschland Soziale Arbeit zu studieren. „Ein Studium, das wäre für mich früher nicht in Frage gekommen“, sagt er. Der Auslandsaufenthalt habe seine Sichtweise verändert: „Man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Welt, das eigene Leben, und das, was man sich für die Zukunft wünscht. Diese Chance sollten alle jungen Leute haben.“

    Auslandsjahr mit Freiwilligendienst 1

    Experteninterview: Auslandsaufenthalt nach der Schule – Tipps und Möglichkeiten

    Drei Fragen an Remo Küchler: Remo Küchler leitet das Europa Jugend Büro Hamburg, das Jugendliche und junge Erwachsene als Partner von Eurodesk über Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte berät. Eurodesk ist ein unabhängiges, von der EU und dem Bundesfamilienministerium gefördertes Beratungsnetzwerk zum Thema Auslandsaufenthalt und kooperiert seit 2018 bundesweit mit der Studien- und Ausbildungsmesse Stuzubi. Stuzubi hat mit dem Experten über die aktuellen Möglichkeiten für ein Auslandsjahr mit Freiwilligendienst gesprochen.

    Stuzubi: Die Corona-Pandemie hat bei den Auslandsaufenthalten zu großen Einschränkungen geführt. Beruhigt sich die Situation jetzt wieder?

    Freiwilligendienst im Ausland
    Remo Küchler, Leiter des Europa Jugend Büros Hamburg

    Küchler: Mit dem Lockdown im Frühjahr 2020 ging bei uns die Nachfrage nach Auslandsaufenthalten auf nahezu null zurück. Es mussten auch viele Projekte abgebrochen werden, und die Entsendeorganisationen haben die Freiwilligen in einer riesigen Rückholaktion nachhause gebracht. Danach haben viele Organisationen erstmal nichts mehr angeboten. Inzwischen gibt es wieder mehr Projekte, aber nicht mehr so vielseitig wie vor Corona.

    Stuzubi: Ist die Pandemie ein zentrales Thema bei Ihren Beratungen?

    Küchler: Die meisten Jugendlichen, die bei uns anfragen, sind sich der Situation sehr bewusst. Natürlich ist Corona bei uns ein Thema, auch für die Eltern. Schwierig ist dabei vor allem, dass Freiwilligendienste im Ausland, die bei uns am meisten nachgefragt werden, von langer Hand geplant werden müssen. Das braucht ein Jahr Vorlaufzeit. Wie die Lage in einem Jahr ist, kann man aber im Moment nicht sicher abschätzen.

    Stuzubi: Wozu raten Sie Ihren Interessenten in der jetzigen Situation?

    Küchler: Wir informieren neutral und zeigen den Leuten Möglichkeiten. Wofür sie sich entscheiden, bleibt ihnen überlassen. Wer sicher sein möchte, ist im Moment in Europa besser aufgehoben, und dazu gibt es aktuell auch viele Angebote. Wer weiter weg möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Gesundheitsversorgung in einigen Ländern rudimentär ist. Man bekommt dort keine Behandlung wie in einem deutschen Krankenhaus. In Hochinzidenzgebiete werden Freiwillige aber ohnehin nicht geschickt.

    Gerade für längere Aufenthalte wie einem Auslandsjahr ist es aber auch möglich, weit weg zu gehen, und dann eben die Quarantäne in Kauf zu nehmen. Bei einem Zeitraum von einem Jahr fallen zwei Wochen nicht ins Gewicht. Oder wir ermuntern die Leute zu einem Auslandssemester während des Studiums. Es gibt viele Gelegenheiten für einen Auslandsaufenthalt, das muss nicht unbedingt gleich nach dem Schulabschluss sein.


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