Wie läuft studieren in der Pandemie ab? Was bedeutet die Schließung der Hörsäle für die Erstsemester? Hat die Coronakrise langfristig Folgen für den Lehrbetrieb an Hochschulen? Der Stuzubi Ratgeber Studium hat mit Professoren, Studienberatern und Studierenden von Universitäten und Hochschulen aus ganz Deutschland über die Auswirkungen der Pandemie auf das Studium gesprochen.

Einig sind sich die Befragten in zwei Punkten: Alle wünschen sich die Rückkehr in den Hörsaal, gehen aber davon aus, dass Studieren nach der Coronakrise digitaler wird.

Wie Corona die Hochschulen verändert

     

    Studieren im Lockdown

    Nicht nur die Schulen traf Corona im Frühjahr 2020 wie ein Schock. Die Pandemie riss auch die Universitäten und Hochschulen aus ihrer Routine. Doch was an den Schulen kaum geglückt ist, hat in den akademischen Bildungseinrichtungen innerhalb kürzester Zeit funktioniert: die Digitalisierung der Lehrveranstaltungen vereinfacht das Studieren im Lockdown immens.

    „Vom Seminar bis zum Praktikum war alles digitalisiert“, erzählt Lukas Röhrig, Medizinstudent an der Uni Leipzig. Was studieren in der Pandemie bedeutet, hat er selbst erlebt: Lukas hat im Lockdown sein Physikum absolviert. Aber sein Studienalltag sah ganz anders aus als sonst. Statt in Leipzig verbrachte er das Semester bei seinen Eltern in Oberfranken.

    „Das war gut“, sagt Lukas, räumt aber gleichzeitig ein: „Man sitzt den ganzen Tag am Rechner, es fehlen die sozialen Kontakte.“ Nebenbei habe er deshalb in der Coronaambulanz gearbeitet. Auch viele Erstsemester seien im Lockdown daheim geblieben bei ihren Eltern, sagt Tatjana Spaeth vom Zentrum für Lehrentwicklung der Universität Ulm: „Das geht ja dank der digitalen Möglichkeiten.“

    Leonie Niemerg, die an der Uni Paderborn Management Information Systems studiert, ist an ihrem Studienort geblieben. Den Campus habe sie sehr vermisst, sagt sie. Die meisten Studierenden hätten ihre Kontakte hauptsächlich an der Uni: „Da wird es dann im Lockdown sehr einsam.“ Wichtig sei für sie in dieser Zeit vor allem gewesen, ihre Tagesstruktur beizubehalten. Deshalb sei sie morgens wie üblich aufgestanden, habe sich angezogen, gefrühstückt und sich fürs Lernen und ihre Freizeit feste Zeitfenster eingeplant: „Ich brauche das, sonst verschwimmt alles.“

     

     

     

    Auslandsstudium trotz Corona

    Auch Janet Truong hat den Lockdown gut überstanden. Sie studiert Wirtschaftsrecht an der International School of Management (ISM) und absolvierte im Frühjahr 2020 ein Auslandssemester in Paris, wo deutlich strengere Maßnahmen galten als in Deutschland. „Ich durfte nur einmal am Tag raus“, erinnert sie sich. Dennoch habe sie sich dagegen entschieden, ihr Auslandsstudium wegen Corona abzubrechen: „Das habe ich nie bereut, es war trotz allem eine tolle Zeit.“ Von Anfang an habe ihr Dozent regelmäßige Videokonferenzen mit allen Kursteilnehmern eingerichtet, so dass sie von Anfang an problemlos online in der Pandemie studieren konnte.

    Selbst duale Studiengänge wurden auf virtuelle Formate umgestellt. „Bei den praktischen Phasen im Betrieb war ich mal im Home-Office, mal bei Meetings vor Ort“, berichtet Maximilian Schweigerer, der an der Europäischen Fachhochschule (EUFH) Handelsmanagement studiert. An seiner Hochschule seien Kurse für Selbstmanagement jedoch fester Bestandteil des Studiums – ein Programm, das beim digitalen Studieren in der Pandemie nun von besonderer Bedeutung sei. Die EUFH habe ihre Lehrveranstaltungen komplett digital durchgeführt.

     

     

     

    Onlinestudium für Erstsemester

    Doch wenn das Studium in Distanz schon eine Herausforderung für höhere Semester ist, wie schaffen dann die Studienanfänger den Einstieg? „Die Erstsemester sind eine besondere Gruppe“, betont Katharina Günther, die an der Universität Leipzig im Projekt „LaborUniversität (StiL)“ an der Entwicklung neuer Studienkonzepte mitarbeitet. Hier berge der Lockdown die Gefahr, „dass Menschen runterfallen.“ Dies gelte vor allem für Studienanfänger, die neu in die Stadt gezogen seien.

    Für Erstsemester, die in der Pandemie an der Uni Paderborn studieren, habe es diesmal keine Campustouren oder Stadtführungen gegeben, erzählt Leonie: „Das war schade, gerade zu Beginn des Studiums ist es superwichtig, Kontakte zu knüpfen.“ Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) habe deshalb für die Studienanfänger auch im Lockdown Treffen in Kleingruppen mit Anmeldung organisiert.

    Um den Erstsemestern beim Onlinestudium im Lockdown einen guten Start zu ermöglichen, hat an der Technischen Universität München (TUM) eine 40-köpfige Arbeitsgruppe neue Konzepte entwickelt, an der Lehrende und Studierende aus fast allen Fakultäten, Studienberater und Mitarbeiter aus weiteren zentralen Einrichtungen der Universität beteiligt waren.

    Ebenfalls mit dabei: die Mathematikerin Kathrin Ruf. „Ich bin froh, dass uns der erste Coronaausbruch nicht im Wintersemester erwischt hat, wenn die ganzen Erstsemester kommen“, sagt sie. „Da hätten wir sicher viele Studierende verloren, denn ohne persönlichen Kontakt ist es schwieriger, diejenigen, die Probleme haben anzusprechen und zu beraten.“ Inzwischen habe sich das Studieren in der Pandemie aber eingespielt, und auch die Studienanfänger könnten aus der Schule auf Erfahrungen mit Distanzunterricht zurückgreifen.

     

     

     

    Uni und Schule: ein großer Unterschied

    Jedoch sei digitales Lernen im Klassenverband, wo man sich kenne, etwas anderes: „Es ist ein großer Unterschied zwischen Uni und Schule.“ An der TUM seien deshalb virtuelle Mentoring- und Buddyprogramme ins Leben gerufen worden. Gruppenleiter seien je nach Projekt geschulte Studierende aus dem gleichen Jahrgang oder Mentoren aus höheren Semestern. Auch über Whatsapp-Gruppen finde viel Austausch statt.

    Wichtig sei in der jetzigen Situation, dass man Angebote nutze und aktiv auf Tutoren, Kommilitonen und Dozenten zugehe. Auch an der Universität Ulm seien die Fachschaften sehr engagiert, sagt Spaeth: „Sie organisieren zum Beispiel das gemeinsame Bearbeiten von Übungsaufgaben für die Studienanfänger, da muss man sich austauschen und lernt sich kennen.“

    Trotz aller digitalen Angebote versuchen die Hochschulen jedoch, Erstsemester so viel wie möglich in Präsenz zu unterrichten. „Gerade für die Studienanfänger gilt: Bildung braucht Bindung“, sagt Rainer Paffrath, Studiengangsleiter Master Dynamic Management an der EUFH. Bei den Erstsemestern sei der Wunsch nach Lehrveranstaltungen am Campus am größten gewesen, „und wir konnten das auch ganzen Gruppen ermöglichen.“

    Fehlende Sozialkontakte am Anfang des Studiums hätten weitreichende Folgen, mahnt Volker Hasewinkel Professor und Studiengangleiter für Betriebswirtschaftslehre an der VICTORIA | Internationale Hochschule in Berlin: „Das sind Effekte, die langfristig bleiben.“ Auch an der ISM seien die Studienanfänger bevorzugt vor Ort unterrichtet worden, sagt Janet. Selbst große Universitäten wie die TUM setzen bei den Erstsemestern auf den Unterricht im Hörsaal. „Für die Studienanfänger bieten wir, wenn möglich, auch im Lockdown Präsenzveranstaltungen in Kleingruppen an“, sagt Ruf. Parallel dazu gebe es virtuelle Veranstaltungen.

     

     

     

    Neue Online-Tools im Studium

    „Es ist unglaublich, welche Vielfalt es in der digitalen Lehre gibt“, schwärmt Ruf. Neben Video-Aufzeichnungen der gängigen 90-minütigen Vorlesungen gebe es zum Beispiel kurze Lehrvideos, Live-Seminare als Videokonferenz, Umfragen zur Überprüfung des aktuellen Wissensstands und E-Learning-Formate mit Tests: „Das ist sehr spannend.“ Beim Studieren in der Pandemie sei viel Material entstanden, berichtet Medizinstudent Lukas: „Das ging von der Vorlesung als PDF oder Podcast bis zu Videos für Praktika.“

    Auch Videos mit Patientenfällen seien produziert worden, für die Studierende Behandlungsmethoden vorschlagen sollten, erklärt Katharina Günther von der Uni Leipzig. In Fächern wie Chemie könne ebenfalls mit Videoaufnahmen gearbeitet werden: „Bei Experimenten kann zum Beispiel gezeigt werden, wie zwei Substanzen zusammengegeben werden, und die Aufgabe ist es, zu beschreiben, was dann passiert.“

    An der Uni Ulm habe es schon vor Corona die Möglichkeit gegeben, Vorlesungen als Video aufzuzeichnen und digital zur Verfügung zu stellen, erzählt Tatjana Spaeth: „Vor der Pandemie haben die Dozenten davon aber kaum Gebrauch gemacht.“ Im Lockdown seien ganz unterschiedliche digitale Formate eingesetzt worden: „Im schlimmsten Fall wurde nur eine E-Mail mit Angaben zu den jeweiligen Lehrbüchern verschickt.“ Jedoch seien dies vereinzelte Ausnahmen gewesen: „Die allermeisten waren sehr engagiert.“

    Welches neuen Online-Tools im Studium sinnvoll seien, hänge von der Art der Lehrveranstaltung ab. „Bei Vorlesungen sind wegen der hohen Teilnehmerzahl Videoaufzeichnungen gut, wenn es um Interaktion geht, eignen sich Videokonferenzen besser“, sagt Spaeth. Zu Anfang des Lockdowns seien an der Uni Paderborn aber aus technischen Gründen kaum Live-Veranstaltungen wie Videokonferenzen angeboten worden, berichtet Volker Schöppner, Professor für Ingenieurwissenschaften und Vizepräsident für Studium, Lehre und Qualitätsmanagement der Universität: „Wenn 200 Dozenten mit je 50 Studierenden gleichzeitig online sind, wäre unser System zusammengebrochen.“ Inzwischen sei man technisch wesentlich besser ausgerüstet.

     

     

     

    Studieren per Videokonferenz

    An der ISM könnten aufgrund der kleinen Kurse auch Vorlesungen als Videokonferenz abgehalten werden, berichtet Janet: „Da sehe ich meine Kommilitonen.“ Jeder schalte die Kamera ein. Eine Selbstverständlichkeit ist das jedoch nicht. Meistens seien die Kameras der Studierenden bei den Live-Vorlesungen ausgeschaltet, sagt Schöppner: „Es kommen auch keine Rückfragen, das ist, wie vor einer schwarzen Wand zu sprechen.“ Auch Leonie nimmt ohne Kamera teil. „Ich will nicht, dass der ganze Kurs in mein Wohnzimmer schaut“, erklärt sie.

    Kameras würden eher benutzt, wenn sich die Veranstaltungsteilnehmer bereits persönlich kennen, sagt Hasewinkel. In den Videovorlesungen der VICTORIA seien die Studierenden in der Regel nicht sichtbar: „Einige haben Angst, dass jemand ein Foto von ihnen ins Internet stellt.“ In kleinen Arbeitsgruppen hätten die Studierenden kein Problem damit, ihr Gesicht zu zeigen. Geringe Teilnehmerzahlen seien für die digitale Lehre von Vorteil, sagt auch Paffrath: „Bei uns an der EUFH wird in kleinen Gruppen gelernt, da kommt man auch online gut zusammen.“

    Doch auch die großen staatlichen Universitäten versuchen, in ihren digitalen Lehrveranstaltungen persönliche Nähe herzustellen. An der TUM bittet Ruf ihre Studierenden explizit, ihre Kameras einzuschalten. Mit Angeboten in Kleingruppen schaffe die Universität außerdem geschützte Räume. Immer wieder ermutige sie ihre Studierenden, bei den Online-Veranstaltungen auch Fragen zu stellen.

    Wer nicht vor der Gruppe kommunizieren wolle, könne sich im Chat an den Dozenten wenden. Kontakt herstellen könne man beim Online-Studium auch durch zusätzliche Sprech- und Fragestunden, sagt Spaeth. An der Uni Ulm seien diese Angebote von den Studierenden dankbar angenommen worden.

    Die Fachschaften haben im Lockdown außerdem versucht, Freizeitaktivitäten ins Virtuelle zu übertragen. „Es gab Online-Cooking, Online-Sport und virtuelle Spieleabende, das ist sehr schön“ lobt Ruf. An der Uni Paderborn veranstalteten die Fachschaftsräte zum Beispiel Online-Spiele zum Kennenlernen, sagt Leonie. Trotzdem räumt sie ein: „Das ist nicht das gleiche wie bei persönlichen Treffen.“

     

     

     

    Digitale Formate an der Hochschule – nicht alles geht

    Den Wegfall des persönlichen Kontakts betrachten Dozenten und Studierende als das große Manko beim digitalen Studieren in der Pandemie. Eindeutig ist hier die Haltung von Volker Schöppner von der Uni Paderborn. „Ich bin bei den digitalen Formaten an der Hochschule nicht so euphorisch“, sagt er.

    Auch Hasewinkels Begeisterung ist gedämpft. Seit 25 Jahren befasse er sich mit E-Learning. Sein Fazit: „Am Anfang war ich sehr enthusiastisch, doch die hohen Erwartungen, die es gab, wurden nicht erfüllt.“ Lernen sei ein sozialer Prozess zwischen Menschen: „Studierende lernen nicht nur von mir, sondern auch voneinander und miteinander.“ Diese Vorgänge fänden online nicht statt. Gerade für spätere Führungskräfte seien diese Softskills zentrale Fähigkeiten, „die man nicht anhand kleiner Bildchen auf dem Monitor lernen kann.“

    Im Hörsaal erkenne man die Stimmung, bei virtuellen Lehrveranstaltungen rede man wegen der fehlenden Gestik und Mimik dagegen häufig aneinander vorbei, hat auch Ruf beobachtet. Dieses Defizit an nonverbaler Kommunikation müsse man sprachlich ausgleichen: „Online sind wir Dozenten viel mehr auf das Feedback unserer Studierenden angewiesen als bei Präsenzveranstaltungen.“

     

     

     

    Studium und Praxis – online ein Problem

    Schwierig wird es im Online-Studium auch bei den praktischen Inhalten. „Eine Blutentnahme kann man sich fünfmal als Video anschauen, es selbst zu machen, ist etwas anderes“, sagt Lukas. Auch den Präparierkurs, bei dem man am realen menschlichen Körper die Anatomie kennenlerne, könne man nicht digital darstellen. Für solche Studieninhalte werde es wenn möglich nach der Pandemie Nachholtermine geben.

    Auch für die Lehramtsstudenten seien rein virtuelle Formate ein Problem, erklärt Günther: „Die konnten im Sommersemester nicht in die Schule. Das fehlt jetzt natürlich sehr.“ Für bestimmte Laborpraktika oder den Mannschaftssport im Sportstudium gebe es ebenfalls keinen digitalen Ersatz.

    Die Verbindung von Studium und Praxis ist online grundsätzlich ein Problem. Je handwerklicher ein Studiengang sei, desto problematischer sei die Online-Lehre, sagt Spaeth: „Zum Beispiel pipettieren, das muss man im Labor lernen, oder Ingenieure, die Bauteile schweißen, Naturwissenschaftler, die richtig durch ein Mikroskop schauen sollen und Biologen, die auf einer Exkursion Pflanzen erkennen müssen.“ Bestimmte Phasen des Studiums könne man nicht virtuell umsetzen.

    Paffrath glaubt allerdings, dass die digitale Vermittlung von Praxiswissen in Zukunft möglich sein könnte. An der EUFH gebe es vor allem Studiengänge im Management- und Gesundheitsbereich, die auch Praktika beinhalten. Diese Studienanteile digital zu ersetzen sei herausfordernd: „Aber man entwickelt sich ja weiter, auch didaktisch.“ Was derzeit im Lockdown an den Hochschulen passiere, sei vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen

     

     

     

    Studieren wird nach der Coronakrise digitaler

    Wunderbar geeignet sei digitales Lernen, wo es um reines Faktenwissen gehe, sagt Hasewinkel. Die Wirtschaftsrecht- Studentin Janet bestätigt dies, räumt aber ein, auch in ihrem Fach gebe es Bereiche, in denen Präsenz nötig sei, etwa das Thema Vertragsverhandlungen: „Wir haben das per Videokonferenz probiert, das war nicht ideal.“

    Grundsätzlich gebe es in allen Studiengängen viele theoretische Anteile, die man sehr gut online darstellen könne, sagt Spaeth. Die Universität Ulm habe eine starke technische Ausrichtung: „Da ist es schwieriger.“ In Fächern wie Wirtschaft oder Psychologie sei digitale Lehre aber gut umsetzbar. Bei textlastigen Studiengängen wie Geistes-, Sozial- und Sprachwissenschaften sei die Umsetzung von Online-Formaten viel einfacher als im MINT-Bereich, sagt auch Günther. Jedoch sei Präsenzlehre auch bei diesen Fachrichtungen wichtig und eine rein digitale Wissensvermittlung könne nur eine Notlösung sein.

    Online zu studieren habe aber nicht nur in der Pandemie auch einige Vorteile, findet Leonie. Schon vor Corona seien an der Uni Paderborn Vorlesungen aufgezeichnet und ins Internet geladen worden: „Der Hörsaal war trotzdem voll.“ Doch wer krank sei oder gerade einen anderen Kurs habe, könne sich dann das Video anschauen.

    Gut sei auch, dass man Passagen, die man nicht verstanden habe, beliebig oft wiederholen könne. „Viele finden die Flexibilität beim Online-Studium toll“, sagt auch Janet. Man könne länger schlafen und spare sich Anfahrtswege: „Das ist praktisch.“ Unter Umständen brauche man beim Online-Studium auch keine eigene Wohnung mehr am Studienort, räumt Spaeth ein. „Das spart Geld.“

    Paffrath kann sich vorstellen, dass Online-Modelle zu einer Erweiterung der Studienangebote führen. Nischenbereiche, für die es zu wenig Teilnehmer für einen Kurs in Präsenz gebe, könnten standortübergreifend als Videokonferenz veranstaltet werden. Auch gemeinsame Seminare mit Universitäten aus der ganzen Welt oder die Befragung von Experten aus dem Ausland sei virtuell per Videokonferenz möglich, sagt Günther. Sogar zum Barriereabbau könnten virtuelle Studienformate beitragen und für mehr Diversität sorgen. Studieren mit Kind werde einfacher, es werde mehr Inklusion geben, und die Lehrveranstaltungen würden für Studierende aus dem Ausland besser zugänglich. All diese Vorteile könnten in Zukunft dafür sorgen, dass Studieren digitaler wird.

     

     

     

    Gewinner und Verlierer der Pandemie

    Doch nicht alle Studierenden kommen mit den digitalen Lehrformaten gleich gut zurecht. In der Pandemie vorwiegend online zu studieren stelle hohe Ansprüche an die Selbstorganisation und das Zeitmanagement, sagt Spaeth: „Die Studierenden müssen sehr diszipliniert sein.“ Zwar sei dies beim Universitätsstudium grundsätzlich gefordert, „aber beim digitalen Studium noch viel mehr.“

    Und wie sieht es mit den Leistungen aus, wenn der Campus geschlossen ist? Schaffen die Studierenden ihr Lernpensum, bestehen sie die Prüfung? Das gelingt offenbar durchaus, sagen die Dozenten. An der Uni Paderborn seien im Lockdown alle Prüfungen angeboten worden, berichtet Schöppner: „Meine Studierenden haben so abgeschnitten wie sonst auch.“ Jedoch betreue er vorwiegend höhere Semester.

    An der VICTORIA sei die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen im Lockdown überdurchschnittlich hoch gewesen, sagt Hasewinkel: „Vielleicht lag das daran, dass Fehlzeiten wegen Krankheit oder einem verpassten Bus beim Online-Studium nicht vorkommen.“ Damit einhergehend habe es mehr Prüfungsanmeldungen gegeben als üblich. Die Ergebnisse der Klausuren entsprächen seiner Einschätzung nach den Vorjahren.

    Auch an der Uni Ulm gab es keine Verschlechterung. „Wir sind sehr erleichtert, dass die Studierenden auch im Lockdown ihr Lernziel erreicht haben“, sagt Spaeth. Die Nachprüfungen seien sogar leicht überdurchschnittlich ausgefallen. Jedoch sei den Studierenden in der Pandemie ein zusätzliches Semester eingeräumt worden: „Wer sich unsicher war, hat deshalb die Prüfung unter Umständen aufgeschoben, und die angetreten sind, hatten zum Teil mehr Zeit, sich vorzubereiten.“

    Auch Lukas hat trotz Lockdown alle Prüfungsleistungen fürs erste Staatsexamen bestanden. Seine Kommilitonen hätten ebenfalls keine Probleme gehabt, sagt der Medizinstudent. An der TUM hat sich der Notendurchschnitt laut Ruf auch nicht merklich verändert. Dennoch gibt es Gewinner und Verlierer der Pandemie. Für den einzelnen Studierenden habe sich die Ausnahmesituation durchaus auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt: „Man sah schon, dass einige mit dem digitalen System gut zurechtkamen und ihre Noten sogar verbessert haben, und andere haben sich verschlechtert oder sind nicht zur Prüfung angetreten.“

    Das Online-Studium berge die Gefahr, dass manche Studierenden auf der Strecke blieben: „Sorgen mache ich mir vor allem um die Leisen, die man nicht hört.“ Auch Hasewinkel befürchtet: „Fehlt der Präsenzunterricht, dann verlieren wir die Schwächeren.“

     

     

     

    Zurück an den Campus

    Die Angst, dass verwaiste Hörsäle auch beim Studium nach Corona zum Dauerzustand werden, ist indes unbegründet. In der Frage, wie es nach der Pandemie an den Hochschulen und Universitäten weitergehen soll, herrscht in diesem Punkt Einigkeit: Sowohl die Studierenden als auch die Dozenten wollen zurück an den Campus. „Ich habe mich nicht für ein Fernstudium eingeschrieben, wenn Corona vorbei ist, möchte ich wieder so viel wie möglich in Präsenz studieren“, sagt Lukas.

    Langfristig werde sich das digitale Studium nicht durchsetzen, glaubt auch Janet: „Vielleicht passt es gut zu berufsbegleitenden Studiengängen, weil es flexibler ist, aber das Bachelorstudium in Vollzeit wird denke ich weiterhin mehrheitlich vor Ort stattfinden.“ Ebenfalls klare Worte findet Maximilian: „Ich bin zu 100 Prozent fürs Präsenzstudium, das ist für mich einfach besser. Ich mag das Menschliche.“

    Auch die Dozenten zieht es wieder in den Hörsaal. „Ich freue mich, wenn wir das alles hinter uns haben und an der Uni Paderborn wieder in Präsenz unterrichten können“, sagt Schöppner. Ihre Studierenden an der TUM wieder „in 3D sehen zu können“, wünscht sich auch Ruf: „Das macht Hochschullehre aus.“ Das komplett digitale Studium wie beim Studieren in der Pandemie sei eine Notlösung, keine Dauerlösung, findet Hasewinkel. Die VICTORIA werde nach Corona zur Präsenzlehre zurückkehren.

    Das Gleiche gilt für die EUFH. Den Bachelor werde man auf jeden Fall im Präsenzmodell beibehalten, sagt Paffrath. Der Austausch und das reale Treffen seien weiterhin wichtig, betont auch Günther. Trotz aller Offenheit für die Online-Lehre wolle sie „eine Lanze für die Präsenzlehre brechen.“ Doch obwohl Dozenten und Studierende überzeugt sind, dass die Präsenzlehre an der Hochschule das gängige Format bleiben wird, gehen sie davon aus, dass die Pandemie in der akademischen Bildung ihre Spuren hinterlassen wird.

     

     

     

    Studieren nach Corona: Ausblick

    Wie sich das Studieren nach Corona verändern wird? Anklang findet vor allem die Idee, Online- und Präsenzformate miteinander zu verknüpfen – ein Ansatz, den auch Stuzubi verfolgt mit dem kombinierten Angebot aus der Stuzubi Schülermesse und dem virtuellen Event Stuzubi Digital. Die Studierendenvertretung der Uni Leipzig setzt sich dafür ein, dass die fürs Studieren in der Pandemie produzierten, digitalen Lehrmaterialien nicht verloren gehen. „Unsere Hoffnung ist, dass es nach Corona flächendeckend parallel zur Vorlesung Podcasts gibt und auch weiterhin die Möglichkeit besteht, online an Seminaren teilzunehmen“, sagt Lukas.

    Das sogenannte Hybridmodell, bei dem Veranstaltungen vor Ort und digital gleichzeitig stattfinden, begeistert auch Leonie und Janet. Einiges aus der Coronakrise könne man schon beibehalten, sagt Leonie: „Über vieles wird geschimpft, aber an manchem hat man doch Gefallen gefunden.“ Beliebt seien zum Beispiel Online-Tests, um zwischendurch den eigenen Leistungsstand abfragen zu können.

    Die Uni Leipzig habe in der Coronakrise viel in neue Technik investiert, sagt Günther. Unzählige Podcasts, Moodle-Gruppen und digitale Kurse seien entstanden: „Das ist es wert, weiter genutzt zu werden.“ Auch Schöppner räumt ein: „Einiges, was man in der Not ausprobiert hat, war nett.“ Die Materialien, die im Lockdown an der Uni Paderborn produziert worden seien, könne man den Studierenden ergänzend zur Präsenzlehre weiterhin zur Verfügung stellen. Durch die Krise habe man viel gelernt. „Ich weiß jetzt, dass mein Laptop ein eingebautes Mikro hat“, sagt Schöppner und lacht.

     

     

     

    Digitalisierungsschub an den Hochschulen?

    Wird die Pandemie an den Hochschulen einen nachhaltigen Digitalisierungsschub auslösen? Paffrath glaubt daran. „Krisen können Innovationen beschleunigen, das hat man hier gesehen.“ Vieles sei schon früher getestet worden: „Aber man hat gesagt, das dauert noch Jahre.“ Mit der Schließung hätten die Hochschulen plötzlich Druck bekommen: „Da ging alles viel schneller.“

    Schöppner ist dagegen eher skeptisch. In Nordrhein-Westfalen sei das Studium in Präsenz gesetzlich vorgeschrieben: „Einfach nur eine Vorlesungskonserve hochzuladen, das will der Gesetzgeber nicht.“ Aufgrund des Notstands seien digitale Lehrveranstaltungen zwar erlaubt gewesen: „Aber danach ist das unter Umständen gar nicht mehr zulässig.“

    Auch Ruf hält die Lehrverordnung für „einen Hemmschuh bei der dauerhaften Nutzung und Weiterentwicklung digitaler Lehrveranstaltungen.“ Für die Erstellung und Betreuung alternativer Lehrformen wie Online-Formate seien im Rahmen der Lehrverpflichtung bisher keine Arbeitszeiten vorgesehen. „Wenn man dafür keine politische Lösung findet, hat das, was in der Pandemie angestoßen wurde, keine Zukunft, es wird wieder einschlafen“, glaubt Ruf.

    Denkbar sei aber, dass sich in Zukunft Hochschulen auf verschiedene Online-Formate spezialisieren. Das Lehrangebot werde vielfältiger werden. Erste Schritte zur Etablierung neuer digitaler Angebote geht man zum Beispiel an der EUFH, wo ab 2021 der Online-Studiengang „General Management“ startet. „Das ist unser erstes Corona-Baby“, sagt Maximilian.

    Auch die ISM plant die Einführung von Fernstudiengängen. An der VICTORIA gibt es das Distanzmodell als Option sogar schon länger. Doch wie sehr wird sich die Hochschullandschaft insgesamt verändern? „Es gibt an den Hochschulen Leute, die sich wünschen, dass alles so bleibt, wie während der Pandemie, welche, die wollen, dass alles wieder so wird wie vorher, und das gesamte Spektrum dazwischen“, sagt Spaeth. Wie digital das Studium tatsächlich wird, bleibt also abzuwarten.


    Wege der Berufsorientierung in Zeiten von COVID 19

    Studien- und Ausbildungsmessen gibt es auch in der Pandemie – die Online-Messe Stuzubi Digital bietet alle Möglichkeiten einer realen Messe mit persönlichen 1:1 Gesprächen im (Video-)Chat, Live-Vorträgen und Beratungsangeboten zu den Themen (duales) Studium, Ausbildung und Gap Year. Hochschulabsolventen können sich auf der Karrieremesse jobs and master über aktuelle Stellenangebote für Berufseinsteiger und Young Professionals sowie weiterführende Studiengänge und Masterprogramme informieren, die 2021 ebenfalls digital stattfindet.

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